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Stellungnahme der IPWG zu den Vorgängen um die Verleihung des Peter Weiss-Preises der Stadt Bochum 2023

Mit Befremden und Sorge sieht die IPWG die Diskussion um die designierte Peter Weiss-Preisträgerin Sharon Dodua Otoo. Wir gratulieren der Jury für ihre Entscheidung, die Verfasserin des grandiosen Romans Adas Raum aus dem Jahre 2021 auszuzeichnen, der ganz im Sinne von Peter Weiss als ein Musterbeispiel einer „Ästhetik des Widerstands“ angesehen werden kann. Otoo verbindet in ihrem epischen Meisterwerk Geschichten über die Unterdrückung von Frauen mit antikolonialen Perspektiven sowie mit einer eigenwilligen Thematisierung des Nationalsozialismus. Die Verwendung einer komplexen Dingsymbolik erhöht den ästhetischen Reiz des Romans, der als ein exemplarisches Modell postmigrantischen Erzählens in deutscher Sprache gelten kann.

Umso vehementer kritisiert die IPWG, wie eilfertig Otoo von offizieller Seite – auf alleiniger Grundlage eines tendenziösen Online-Artikels – wegen einer vor längerer Zeit geleisteten Unterschrift unter eine pro-palästinensische Petition als Preisträgerin in Frage gestellt wurde. Peter Weiss, nach dem der Preis der Stadt Bochum benannt wurde, hat sich in seinem Werk eindringlich mit dem Nationalsozialismus und dessen Fortleben befasst; er hat seine unverbrüchliche Solidarität mit Israel als Heimstatt der Juden betont, gleichzeitig aber die konkrete Politik verschiedener israelischer Politiker zu mehreren Gelegenheiten kritisiert. Wir sind uns nicht sicher, ob Peter Weiss selbst unter den aktuellen Diskursbedingungen eine Chance gehabt hätte, den Peter Weiss-Preis zu erhalten.

Wir unterstreichen nachdrücklich, dass Sharon Dodua Otoo nach unserer Überzeugung den Peter Weiss-Preis aufgrund ihres literarisch herausragenden und politisch hellsichtigen Werkes verdient hat, und wir verurteilen eine Cancel Culture, durch die ohne Anhörung der betroffenen Person schlechte Entscheidungen getroffen werden sowie der Ruf einer brillanten Autorin beschädigt wird. Wir fordern die Stadt Bochum auf, der Empfehlung der Jury zu folgen und Sharon Dodua Otoo den Peter Weiss-Preis zu verleihen. Wir wenden uns gegen ein Klima der Denunziation, in dem politische Stellungnahmen literarisch-ästhetische Entscheidungen überlagern. Die IPWG erklärt im Sinne von Peter Weiss ihre unverbrüchliche Solidarität mit dem Staat Israel und gleichzeitig ihre Verbundenheit mit dem palästinensischen Volk, das wie alle Israelis unter dem Terror der Hamas leidet.

Der Vorstand der IPWG: Prof. Dr. Arnd Beise, Miriam Esau M.A., Dr. Georges Felten, Prof. Dr. Michael Hofmann, Dr. Daphne Jordahn.